Interview ...

Hallo Ramateertha,
nächstes Jahr findet mit dir Familienaufstellungsworkshop nach Hellinger im Osho Tabaan statt. Du hast sehr viel Erfahrung mit anderen Therapieformen, was macht für dich den speziellen Reiz dieser Arbeit aus?

Das Besondere ist, dass sie einfach besonders ist. Das klingt etwas komisch, aber es ist einfach die Erfahrung mit dieser Arbeit. Ich glaube, dass dabei ganze tiefe Schichten von uns angesprochen werden, die weit über den Rahmen der Therapie hinausgehen. Bestimmte Schritte, die im Familienstellen vollzogen werden, haben eigentlich weniger mit Therapie zu tun, als mit einer spirituellen Dimension. Insofern spirituell,als dass das ‚Ja‘, was da zum Ausdruck kommt, ein ‚Ja‘ zum Leben ist, ein ‚Ja‘ zu einer Hingabe, einem Anerkennen von etwas Grösserem als das kleine ‚Ich‘. Und dies ist sicherlich eine Dimension, die über die normale Therapie hinausgeht, insofern aber auch für mich Sannyasins von besonderer Bedeutung ist, da ich in der spirituellen Therapie die Meditation und damit diesen grösseren Rahmen in die Therapie schon hinennehme. Für mich war dies deshalb eine unglaubliche Entdeckung in der Hellinger Arbeit diese Dimension quasi in der Methode mit eingebettet zu finden.

 

Eine ganze Reihe von Therapeuten geben zur Zeit Gruppen mit dieser Arbeit. Die meisten dieser Gruppen werden nach Hellinger ‚Ordnungen der Liebe‘ genannt, du nennst deine Gruppe ‚Wenn Liebe wieder fließt‘ – ich glaube, er charakterisiert deine Arbeit sehr gut, wie kommt dieser Name zustande?

Der Titel kam zustande als ich in Köln mit Ma Snee das erste Mal aufgestellt habe. Wir beide haben einen Tag lang gearbeitet und hatten vier Personen, die wir aufgestellt hatten, und eine dieser Personen sagte dann, und das habe ich so im Vorbeigehen aufgeschnappt, "Das tut so gut, wenn die Liebe wieder fließt". Und dies‚ wenn die Liebe wieder fließt‘ hat so nachgehallt in mir. Und als es dann darum ging einen Titel für die Gruppe zu finden, habe ich gescheut, den Namen ‚Ordnungen der Liebe‘ zu nehmen, denn das war etwas, was eigentlich Bert Hellinger gehörte und nicht meines war. Und dann klang dieser Titel wieder nach, und ich habe meinen Gruppen diesen Titel gegeben. Ich finde auch, dies ist ein schöner Titel, denn in dem Abgetrenntsein erstarren wir, weil wir uns isoliert fühlen. Der Hauptteil der Arbeit besteht eigentlich darin, sich wieder zu verbinden. Und so ironisch das klingt, religio heißt zurückverbinden. Und in dem Moment, in dem wir uns wieder verbinden, sei es zur Familie, mit der Familie zu wieder etwas Grösserem, das sind sozusagen erstmal die unmittelbaren Wurzeln, von denen wir kommen. Und wenn wir uns von denen abschneiden, kommen wir zu dem Grösserem kaum hin und in dem Moment, wenn wir diese Verbundenheit wieder fühlen, fließt Liebe. Liebe ist nur der Ausdruck dafür, dass wir uns verbunden fühlen und dass nicht Zwei sondern eine Einheit entsteht.

Du hast einmal in einer Gruppe erklärt, daß es für dich wichtig ist, diese Arbeit mit der ‚Sannyas-Qualität‘ zu verbinden. Was verstehst du darunter?

Die Sannyas-Qualität, ich erkläre gleich, was ich damit meine, ist in gewisser Weise der Hellinger Arbeit zuträglich. In der Hellinger-Arbeit stehst du da und musst völlig leer werden, völlig loslassen von allen Konzepten, Konzept der Moralität, Konzept von Gut und Böse, Konzept davon, wer bestraft werden sollte und wer gelobt werden sollte; also all diese ganzen Kategorien, die zählen in der Arbeit nicht mehr. Und Sannyas ist ja auch der Schritt des Loslassens von Konditionierungen, die dir ein Wertesystem vermitteln, die dir ein ‚set of values‘, wie wir das so schön nennen, vermitteln, und dies musst du alles hinter dir lassen. Und in sofern haben Sannyasins oft durch die Arbeit, die wir mit Osho gemacht haben, der uns ja immer wieder den Kopf gewaschen hat, ganz natürlichen Zugang zu dieser Arbeit. Das ist einfach dieses Leerwerden, dieses das anerkennen, was da ist, es einfacher werden läßt. Diese fenomenologische Arbeitsweise ist im Grunde genommen ein tiefer meditativer Prozess, wo du deinen Kopf beiseite läßt und dich auf dein Herz und auf das verläßt, was du wahrnimmst, ohne die Projektionen der Vergangenheit darauf zu legen. Und in sofern ist es nahezu eine ideale Kombination mit Meditation. Hellinger benutzt dafür andere Worte, z.B.: sich sammeln oder die leere Mitte finden. Das ist eine andere Nomenklatur, die er benutzt, aber für mich ist es nichts anderes, als in den meditativen Prozess zu gehen und Stille oder Leere zu finden und nicht der zu sein, der macht, sondern der, der geschehen läßt.

Die Meinungen über Hellinger sind sehr unterschiedlich. Man hört vom Faschisten bis zum Erleuchteten viele Facetten. Du hast ihn persönlich näher erlebt, wie ist deine Meinung dazu?

Also, es ist so, ich habe sehr viele Seminare mitgemacht. Diese großen Seminare, die er geleitet hat, wo er vorn auf der Bühne mit zwanzig oder dreissig gearbeitet hat, und es waren etwa fünfhundert Leute im Auditorium. Ich war erst, als ich die Bücher von ihm las, sehr sehr skeptisch,. Ich hab das erste Buch nach drei Seiten in die Ecke geschmissen und habe gesagt, diese christliche Kacke, damit will ich eigentlich nichts mehr zu tun haben, und erst als ich ihn durch Zufall life erlebt habe, wie er gearbeitet hat, habe ich gesehen, das war meine Projektion. Das, was dort passierte war etwas völlig anderes, was ich sehr geachtet habe und eigentlich immer wieder bestätigt gefunden habe, dass er den Mut hat, Konzepte gehen zu lassen, dass er den Mut hat, total im hier und jetzt auf die Situation, die sich ihm zeigt, zu antworten. Und dies mit einer bestimmten Konsequenz, wo es ihm nicht wichtig ist, ob jemand applaudiert oder mit Steinen nach ihm schmeisst. Diese Konsequenz und dieser Mut hat mich sehr berührt. Das war auch ein Schritt für mich selber, in meiner Arbeit als jemand, der mit dem Familienstellen zu tun hat und damit arbeitet, zu beobachten, wie ich manchmal versuche, es noch für jemanden recht zu machen und mir diesen Teil dann anzusehen und dann den Mut zu haben, zur Konsequenz. Das heisst wirklich, sich auf das verlassen, was ich da sehe. Dann steht man oft erstmal sehr unbeholfen da, und es ist oft gerade diese Unbeholfenheit oder dieses Nichtwissen, das etwas Größerem Platz machen kann. Dieser Schritt in das Nichtwissen zu gehen hat mir sehr viel Angst gemacht und es hat einige Zeit gebraucht, bis ich dahinein entspannen konnte. Ich kann nur ganz generell sagen, dass ich einfach persönlich auch eine tiefe Dankbarkeit Bert Hellinger gegenüber empfinde, dass ich diese Art des Arbeitens gefunden habe, dass die möglich ist und dass es wie eine Tür ist, die vorher nicht da war, die wir benutzen können, um konsequenter zu dem zu gehen, was unser eigenes ist, anstatt das zu machen, was von anderen kommt. Dabei ist diese Aufstellungsarbeit eine ungeheure Bereicherung.

Danke!

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